Schon im 9. Jhdt. fand sich am Fuße des Berges eine kleine Siedlung mit Kirche, die im Zusammenhang mit der pfalzgräflichen Burg auf dem „Siegberg“ stand. Burgherren waren die lothringischen Pfalzgrafen, die der kleinen Kirche, einer Eigenkirche, das Patrozinium des hl. Servatius mitbrachten; denn sie waren zugleich auch Vögte des Maastricher Servatiusstift. Zeugnisse aus dieser Zeit in Form von Steinplattensärgen fanden sich bei der letzten Sanierung der heutigen Kirche in den Jahren 2014-2015, im Fundamentbereich. Sie zeigten zugleich, dass diese Vorgängerkirche mit ihren Grablegen, am Ort der heutigen Servatiuskirche stand.
Mit der Gründung der Abtei St. Michael durch Erzbischof Anno II. 1064, auf dem Siegberg, der dann nach dem Namen der Abtei zum Michaelsberg wurde, wuchs die Siedlung am Fuße des Berges, die alte Kirche wurde zu klein, so dass man in der Mitte des 12. Jhdt´s mit einem Neubau begann.
Zwischen 1150-1170 wurde eine romanische Emporenbasilika mit Westturm erbaut. Mit der bereits genannten, letzten Renovierung wurden im Kircheninneren anhand aufgefundener Farbreste diese Bauteile im typischen „Romanischen Rot“ gefasst. So erkennt man sogleich beim Eintritt in die Kirche, dass sie bereits im 12. Jhdt. dreischiffig angelegt wurde. Als letzter Bauabschnitt wurde um 1220 der stattliche Westturm fertiggestellt.
Nur knapp 50 Jahre später, ab 1265/70, begann man die Kirche zu modernisieren, riss die romanische Choranlage ab und erbaute den heute vorhandenen, gotischen Chor, nunmehr im zarten Ocker vom Romanischen Rot sich absetzend. Vermutlich wollte man auch das romanisch flachgedeckte Kirchenschiff im gotischen Stil überwölben, doch verhinderten finanzielle Nöte die geplante Gotisierung. Unsere Kirche stand da mit einem hochaufragendem Westturm, einem flachen Kirchenschiff, das in etwas in der Höhe endete, wo heute die zugesetzten großen gotischen Fensternischen beginnen und dem neuen, gotischen Chor.
Erst zu Beginn des 16. Jhdt.´s befasste man sich mit der Fortführung des Baues, sammelte Gelder und begann 1503 mit einem großen Umbau: das flache Schiff wurde nun, wie heute noch vorhanden, im hochgotischen Stil überwölbt, das südliche Seitenschiff wurde komplett abgerissen und neu, etwas verbreitert wieder aufgebaut. Im Nordschiff wurde das Emporengeschoss abgerissen und erhöht aufgebaut. Es empfiehlt sich, einmal in das Nordschiff hineinzugehen, um sich bewusst die niedrigere und massive Bauweise der Romanik anzuschauen. Die lichtvolle Fülle brachte erst die Gotik.
Der große Stadtbrand im Jahre 1647 vernichtete alle Kirchendächer, den Turmhelm und die Glocken. Die Glocken wurden in den folgenden Jahren neu gegossen, der Turm 1674, dem neuen Baustil entsprechend, mit einer barocken Haube geschlossen.
In der französischen Besatzungszeit, 1794-1810, diente die Kirche als Lazarett und Magazin. Ein Großteil der aus den früheren Jahrhunderten vorhandenen Ausstattung muss damals verloren gegangen sein.
In der zweiten Hälfte des 19. Jhdt.´s wurden wiederum mehrere größere Baumaßnahmen durchgeführt, die das Aussehen der Kirche veränderten. So wurde in den 1860er Jahren die sog. „Welsche Haube“, der barocke Turmhelm wieder durch einen Spitzhelm (zu sehen auf Bild 1 in der Galerie unten) ersetzt, wie ihn der Turm zur gotischen Zeit trug. In den 1880er Jahren legte man die kleinen Anbauten an den beiden Seitenschiffen in Richtung auf den Turm hin nieder und erbaute die heutigen hohen, neuen Anbauten, in denen die Treppenanlagen entstanden, die bis heute auf die Emporen führen. Damit wurden auch die ehemaligen Eingänge in der Mitte der Kirche geschlossen. Der Nordeingang wurde mit der letzten Renovierung zu einer Marienkapelle (Bild 2) umgestaltet, der ehem. Südeingang, heute auch Beichtkapelle, führte zugleich in die nach Osten hin neuerrichtete Sakristei. Damit erhielt der Baukörper der Servatiuskirche sein bis heute bestehendes Aussehen.
Außer der Zerstörung aller Fenster im Zweiten Weltkrieg erlitt die Kirche keine Kriegsschäden. Die heutige Verglasung stammt aus den 1950er Jahren und wurde im Entwurf durch den damaligen Kölner Dombaumeister Willi Weyres geschaffen.
Die Kirche St. Servatius steht unter Denkmalschutz.
Im Kircheninneren stößt man als erstes auf den Taufstein (Bild 3) aus romanischer Zeit, der durch einen modernen Deckel geschlossen ist. Auf Konsolen links und rechts an den Wänden des Kirchenschiffs stehen acht Apostelfiguren (7 davon sieht man auch auf Bild 3) , das hintere Paar stammt aus dem 19. Jhdt., die vorderen wurden in Köln, in der Werkstatt des „Meister Tillmann Bildersnider“ um 1520 auf Bestellung aus Siegburg gefertigt.
Vorne, am nördlichen Chorpfeiler, kann man eine lebensgroße Muttergottes mit Kind (Bild 4) bewundern, eine Lindenholzschnitzerei aus der Werkstatt des Augsburger Künstlers Jeremias Geißelbrunn, geschnitzt um 1640. Die Madonnenstatue in der kleinen Kapelle (Bild 2), am nördlichen Seitenschiff, stammt ehemals aus der Abtei und kam mit der Übertragung des Schatzes 1812 nach Servatius. Hier wurden bei der letzten Renovierung dieser ehemaligen Eingangs-, dann Tauf-, dann Beichtkapelle alle Architekturteile von vielen Farbschichten freigelegt und in den Ecken des kleinen Raumes kostbare Säulen aus Kalksinter-Marmor aus der römischen Wasserleitung, die aus der Eifel nach Köln führte, entdeckt.
Der Hochaltar wurde 1903 auf Betreiben des Kölner Domkapitulars zur Aufnahme des Annoschreines im Stil eines mittelalterlichen Prozessions-Umgangsaltars geschaffen. Die heutige Gestaltung des Altarraumes mit neuem Altarblock und Hochkreuz (Kreuzgestaltung neu, Christus-Corpus um 1500) stammt vom Kölner Bildhauer Sepp Hürten.
Drei weitere Altäre sind in der Kirche aufgestellt: im Nordchor einem dem Kirchenpatron St. Servatius geweihter Barockaltar (Bild 5) , im Südchor ein Herz-Jesus-Altar aus dem Jahre 1909 und auf der Nordempore ein weiterer kleiner Marienaltar.
Die mächtige Orgel, ein Werk der Firma Klais, Bonn, wurde 1990 ein letztes Mal erweitert und hat heute 39 Register und 2.679 Pfeifen. Das hölzerne Prospekt stammt aus dem Jahre 1930 (Bild 6, Erklärvideo von Guido Harzen zur Orgel unter der Bildergalerie) .
Mit der schon mehrfach erwähnten letzten, großen Renovierung der Servatiuskirche 2014-2015 wurde der Servatiusschatz, dem aus staufischer Zeit stammenden Kirchenschatz der Alten Abtei, auf der Südempore eine neue Ausstellungsfläche gegeben. Hier stehen vier der fünf Großschreine (Bild 7), unter anderem der berühmte Annoschrein aus der Werkstatt des Nicolaus von Verdun, der auch den Drei-Königenschrein im Kölner Dom schuf. Der fünfte, der Apollinarisschrein steht im Hochaltar (Bild 8). In den angrenzenden Tresorräumen finden sich weitere Reliquiare, Tragaltäre, auch der Annokamm und –stab, der den Servatiusschatz zum bedeutendsten Kirchenschatz aus Staufischer Zeit nördlich der Alpen werden lässt.
Wolfgang Hering
Pfarrkirche St. Servatius
Kirchplatz 6
53721 Siegburg
Schatzkammer auf der Nordempore:
Geöffnet i.d.R. Montag bis Freitag von 14 - 17 Uhr
Der Eintritt ist frei
Nähere Informationen zu den Schätzen
Unter fachkundiger Führung können Sie die Kirche und ihre Schätze erkunden. Ansprechpartner für Informationen und Führungen ist das:
Pastoralbüro St. Servatius
Mühlenstr. 6
53721 Siegburg
Telefon: 02241/97169-0
Fax: 02241/97169-29
Notruf für Krankensalbung:
0152-02697547
Das Pastoralbüro ist für den Publikumsverkehr geöffnet:
Mo - Do 09:30 - 13:00 Uhr
Fr 09:30 - 12:00 Uhr