Nach dem anstrengenden gestrigen Tag hatte ich wohl Erholung nötig: Habe 8 Stunden geschlafen - bis um halb sieben. Um sieben Uhr bin ich wieder unterwegs und laufe eine landschaftlich tolle Strecke in einiger Entfernung an der Küste lang, hoch und runter, immer wieder mit Blick auf die Bucht.
Ich fühle mich heute früh richtig gut, innerlich glücklich. Alles ist einigermaßen sortiert und hier auf dem Weg rücken alle äußerlichen Dinge in weite Ferne, man kann sie lassen. Ich bin im Frieden mit mir. Und das meinte wohl das Evangelium gestern, dass man selbst "besitzlos" sein muss, an nichts mehr festhlten muss, wenn man wie die Jünger anderen Menschen den Frieden bringen will. Bei einer kurzen Trinkpause lese ich meinen Tagesimpuls:
Herr, vor dich tragen wir unsere Bedürftigkeit. Lehre uns neu, barmherzig zu sein, liebevoll und gütig mit allen, die uns anvertraut sind.
"Herr du bist mein Leben" singend, gehe ich weiter und erreiche Arcade.
Am Ortseingang gönne ich mir einen Kaffee und ein Croissant, da der weitere Weg lt. Pilgerführer vorerst keine Einkehrmöglichkeit bietet. Arcade gefällt mir, wunderschön hier an der Bucht gelegen, leider ist es auch heute wieder etwas diesig - wobei es zum Wandern ja so viel besser ist! Weiter geht es über eine alte Brücke hinüber in den Nachbarort.
Ich treffe auf eine junge Portigiesin, wir gehen ein Stück gemeinsam weiter, durch kleine Gässchen, bevor es in den Wald geht. Sie hat auf einem Schiff gearbeitet, zwischen Basel und Amsterdam, immer unterwegs. Sie ist auf der Suche nach etwas Neuem und hofft auf Inspiration auf dem Camino. Sie macht nach kurzer Zeit eine Pause, ich gehe alleine weiter, habe ja eben erst Kaffeepause gehabt.
Nochmal geht es steil hoch und wieder abwärts. Dann überhole ich einen Pilger, spüre, dass er reden will, sich aber nicht traut (Woran? Er hebt nicht nur den Kopf, er dreht den ganzen Körper ein wenig). Jedenfalls sage ich statt des "Buen Camino" "Hola", schaue ihn an und verlangsame den Gang. Er grüßt zurück und fragt, woher ich komme.
Er ist Spanier, bezeichnet sich selbst als Coachpotato, läuft nur ein paar Tage auf dem Camino, will den Kopf freibekommen - Umbruchzeit. Er ist mein Jahrgang, hat aber keine Kinder, da er glaubte, kein guter Vater zu sein, jetzt wirft ihm seine Frau das vor. Haben wir uns da vor Jahren Gedanken drüber gemacht, ob wir gute Eltern werden? Es war so selbstverständlich für uns Kinder zu bekommen, diese Frage haben wir uns nie gestellt. Er lebt in Madrid und zwar gerne, dort kennt man sich nicht und wird nicht ständig beobachtet. Nun ja, wenn ich so an den Siegburger Klatsch und Tratsch denke, kann ich das von dem Punkt aus sogar gut nachvollziehen.
Am Ortseingang von Pontevedra (gegen halb zwölf, nach 19 km) machen wir an einer Bar halt - er bestellt ein Glas Weißwein, ich einen Kaffee und stelle wieder mal fest, dass es Menschen gibt, mit denen man direkt in eine gute, "tiefe" Unterhaltung kommt und solche wie ihn, wo es beim small talk bleibt. Um kurz nach zwölf sind wir an der Herberge, setzen die Rucksäcke in die Warteschlange und uns selbst in den Schatten - Einlass erst ab 13.00 Uhr (irgendwann muss ja auch der Reinigungstrupp durch die Herbergen).
Die Schlafsäle sind sehr groß und eng gestellt, ab 14 Etagenbetten aufwärts, aber der Aufenthaltsraum und die Außenanlagen großzügig. Duschen, Brot mit Käse und Salat essen, Tagebuch und Kasse. Draußen finde ich einen freien Stuhl und lese noch zwei Kapitel Teresa.
Danach erkunde ich Pontevedra, die ganze Innenstadt ist wirklich autofrei! Eine junge und pulsierende Stadt, durch die technische Hochschule leben sehr viele Studenten hier.
In der Altstadt schaue ich mir noch die Kirche der Jungfrau Maria an, kaufe im Supermarkt Verpflegung ein und treffe die Murcianer wieder. Er ist den Camino Frances schon in 30 Tagen gelaufen, die neue Freundin jetzt das erste Mal dabei, da muss er auf die Bremse gehen und das fällt ihm schwer.
Diese Probleme habe ich als alleine laufende Pilgerin nicht, treffe die Entscheidungen nur mit mir. Das sah schon Hape Kerkeling damals in seinem Buch als großen Vorteil an.
Zurück in der Herberge hänge ich mein Handy noch was an die Akku-Tankstelle, packe meine Sachen für den nächsten Tag und lese noch was.
Notruf für Krankensalbung:
0152-02697547
Das Pastoralbüro ist für den Publikumsverkehr geöffnet:
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