Schon um drei Uhr portugiesischer Zeit stehen die ersten auf. Haben die die Uhr nochmal eine Stunde zurückgestellt? Um vier Uhr der nächste Trupp - ich kann eh nicht mehr einschlafen, stehe auch auf und mache mich ganz gemütlich fertig. Es ist noch stockenfinster draußen, normalerweise würde ich noch warten, da man jetzt eh keine Markierungen erkennen kann. Aber da die heutige Etappe als "kompliziert" in der Wegführung gilt, habe ich mir gestern sicherheitshalber den GPS-Track heruntergeladen und finde so auch im Dunkeln gut aus Tui heraus.
Das spanische Paar aus Murcia ist kurz vor mir los, die drei deutschen Mädels (lagen über und neben mir im Bett) sind sich die Schuhe am Anziehen, als ich starte. Der Weg geht hinter Tui gute 10 km schön durch den Wald mit kurzen Straßenstrecken. Ein Kreuz erinnert an einen 1521 auf dem Camino verstorbenen Pilger, dann kommt wieder eine Römerbrücke.
Heute gibt es endlich nochmal einen richtigen Sonnenaufgang, nicht super, aber es war mal wieder einer, nach den ganzen diesigen Morgenden in den letzten Tagen. Die Pilgerwege kreuzen sich heute häufiger, sowohl die drei Mädels als auch das spanische Ehepaar habe ich auf den ersten Kilometern mehrmals gesehen. Bis O Porriño habe ich für die gut 17 km und ein paar Ministopps rund 4 Stunden gebraucht.
Am Ortseingang hat eine Bar offen, ich trinke erst mal zwei Kaffee und schaue in den Pilgerführer. Hier aus O Porriño stammt der berühmte Architekt Antonio Palacios, der gerne den lokalen Granit als Baumaterial nutzte.
5-6 km sind es noch bis Mos, wo es eine Herberge gibt. Klingt gut. Mir wird bewusst, dass ich heute gar nicht groß zum Nachdenken kam unterwegs, da ich sehr wachsam auf die Strecke mit ihren vielen kleinen Abzweigungen schauen musste.
In einer offenen Kapelle mache ich nochmal Halt, meine spirituelle Pause. Im Tagesevangelium von Matthäus sendet Jesus seine Jünger aus und sagt, sie sollen nichts mitnehmen auf ihren Weg. Verkünden, dass das Himmelreich nahe ist und den Frieden wünschen. Wir Pilger haben uns auf den Inhalt eines Rucksackes beschränkt, konnten uns das vorher teils nicht vorstellen, mit so wenig Dingen zwei oder mehr Wochen unterwegs zu sein. Doch es macht frei, frei auch von anderen Lasten als denen, die man auf der Waage messen kann. Indem ich nur das Nötigste mitnehme, löse ich mich auch innerlich von vielem, bin ein Pilger mit einem Rucksack wie alle anderen auch. Für Eitelkeiten ist kein Platz auf dem Weg.
Weiter geht es, immer neben dem Fluß Louro entlang. Es duftet nach Wald und Wasser und leichtfüßig komme ich voran.
In Mos gönne ich mir eine kalte Cola und entschließe mich um halb eins, noch die 10 km bis Redondela weiterzulaufen. Vorher lese ich noch meinen Tagesimpuls:
Guter Gott, erleuchte die Finsternis meines Herzens und schenke mir rechten Glauben, gefestigte Hoffnung und vollendete Liebe. Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen, damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle.
Brot und Wasser kaufen, in die Sandalen wechseln und weiter geht es. Die drei dt. Mädels kommen gerade an, sie bleiben hier in der Herberge. Der weitere Weg führt steil bergauf, ich ackere, es ist nicht optimal in Sandalen. Die Sonne brennt und ich mache immer wieder eine kleine Verschnaufpause, stetes gegenseitiges Überholen mit dem Paar aus Murcia. Am römischen Meilenstein (Marco Miliário Romano, der Jakobsweg folgt hier noch heute dem Verlauf dieses historischen Weges, der Via Romana XIX), fotografieren wir uns gegenseitig.
Um zwei Uhr mache ich oben auf dem Berg nochmal eine Pause und auch wieder Schuhwechsel, ist beim Runtergehen einfach besser, auch wenn es drückt, aber ich habe mehr Halt. Weit hinten am Horizont sehe ich bereits Wasser, das Meer, die Bucht Ria de Vigo und die Stadt Redondela. Das gibt mir nochmal den dringend nötigen Anschub, denn ich bin mit den Kräften doch ziemlich am Ende, habe die 30 km heute bereits überschritten.
Schon von weitem konnte ich die riesigen Viadukte erkennen, jetzt, als ich unter dem Ersten stehe, überkommt mich wieder ein Gefühl von Hochachtung. 1876 bzw. 1884 fertiggestellt und wie gering war damals die technische Ausrüstung der Handwerker. Und noch heute fährt die Eisenbahn darüber.
Direkt neben der Kirche Igreja de Santiago ist eine kirchliche Herberge, eine Nonne an der Rezeption und ein Rosenkranz im Treppenhaus an der Wand - bisher ist mir in den Herbergen wenig begegnet was daran erinnert, dass dies mal ein christlich motivierter Pilgerweg war und eigentlich ja auch noch ist.
Nach dem Duschen werde ich in der Küche von einer spanischen Großfamilie angesprochen, ob ich etwas mitessen wolle, sie hätten zu viel. Da sage ich mit Freuden ja und zwei der Kinder testen ganz zaghaft ihre Deutschkenntnisse. Und meine Zweifel, ob ich nicht besser doch in Mos Station gemacht hätte, verfliegen im Nu - denn dann hätte ich dieses tolle Erlebnis nicht gehabt.
Anschließend heißt es: Füße hoch und ein bissel nickern. Um sechs laufe ich noch zur Atlantikbucht, kaufe im Supermarkt ein und gehe abends in der Kirche in die Messe (es sind auch einige andere Pilger dort). Dann schnibbel ich mir einen leckeren Salat, schreibe Tagebuch, werfe einen Blick auf die Strecke morgen und falle nur noch ins Bett. Heute war keine Zeit für Teresa.
Notruf für Krankensalbung:
0152-02697547
Das Pastoralbüro ist für den Publikumsverkehr geöffnet:
Mo - Mi 09:30 - 13:00 Uhr
Do 09:30 - 18:00 Uhr
Fr 09:30 - 12:00 Uhr