Tief und fest habe ich geschlafen und werde um kurz vor fünf wach, packe langsam meine Sachen, mache mich im Bad fertig und entschließe mich - trotz der Blase - doch wieder für die Wanderschuhe, esse ein Brot und eine Apfelsine. Sebastian wollte auch früh mit los, doch irgendwann geht seine Türe zu: Er schafft es auch heute nicht zeitig raus.
In diesem Moment bin ich froh, alleine unterwegs zu sein und jetzt einfach gehen zu können. Ich schreibe ihm noch einen Zettel mit "Danke und Bom Caminho" und überquere um sechs die Brücke, laufe aus Ponte raus über schöne Wald-, Wiesen- und Pflasterwege. Wie gestern ist es diesig, aber angenehm zu laufen, auch wenn ich heute deutlich langsamer unterwegs bin.
Nach ca. 12 km kommt endlich ein Cafe, sogar mit Miniladen, ich trinke einen Kaffee und weiter geht es - hinauf auf den Portela Grande - bevor die Sonne richtig knallt. Als ich gehe kommen die beiden Italienerinnen von vorgestern, auch sie brauchen einen Kaffee. Ich passiere ein Kreuz, das Cruz dos Franceses oder auch Cruz dos Mortos: Hier gerieten Napoleons Truppen in einen Hinterhalt, so mein Pilgerführer. Viele Pilger legen hier einen Stein mit einem Gebetsanliegen ab.
Der Aufstieg auf 435 m hoch ist hart, es geht steil bergauf. Meine kleinen Zehen schmerzen übelst. Schritt für Schritt - langsam, damit die Puste reicht - der Weg ist mittlerweile steinig/felsig. Ich denke nicht mehr, gehe nur noch. Und dann fange ich an das Ave Maria zu beten, immer wieder, es gibt diesem einerlei von Stein auf Stein eine gewisse Struktur. Ich füge zwischen 1. und 2. Absatz mir spontan in den Sinn kommende Sätze wie "Der sich für uns auch einen Berg hochgequält hat" ein, versuche in einen Rhythmus zu kommen und zähle die Schritte während eines Ave Marias.
Irgendwann bin ich oben, zusammen mit einer dt. Familie erreiche ich die Spitze und werde mit einem tollen Ausblick belohnt. Wir fotografieren uns gegenseitig und ich entdecke eine Bank im Schatten - hervorragend - ich lege eine längere Rast ein. Ich habe noch einen Apfel, etwas erfrischendes, das tut jetzt gut. Und ich nehme mir endlich Zeit für meinen Tagesimpuls:
Da, in der Stille, zwischen dir und mir, ein Atmen. Leise. Kein Lärm. Und siehe: dein Lächeln erreicht mein Herz. Deine Freude lass mich heute ausstrahlen, Gott. Fülle mich mit ihr in der Stille des Morgens und lass sie bleiben bis zum Abend.
In der Stille erreicht Gott unsere Herzen. Unser Leben ist selten still - 5 Stunden war ich heute (bis auf zwei kurze Ausnahmen) ganz alleine mit mir - wann habe ich das schon mal im Alltag? Während ich da oben sitze und sein Lächeln in mir spüre, nehme ich mir fest vor, solche Momente der Stille künftig ganz bewusst zu schaffen. Noch mehr darauf zu achten, mich regelmäßig dem Lärm des Alltags zu entziehen.
Ich wechsle in die Sandalen, um meine Zehen zu entlasten, und gehe weiter, jetzt bergab, und innerlich ganz geborgen.
Um 11.30 erreiche ich die Herberge in Rubiaes, nach 17 km. Das soll für heute reichen, der Weg war Strapaze genug für die Füße. Die Herberge öffnet erst um 12.00, ich gehe solange im Cafe mit Miniladen gegenüber einkaufen: Tomaten und eine Dose Thunfisch - heute muss ein Salat reichen, keine Bar, kein Restaurant in der Nähe. Ich bekomme ein Bett unten, direkt am Fenster und wie immer geht es zuerst unter die Dusche.
Dann wasche ich und schnibbel mir in der Küche meinen Salat, setze mich in den schönen Garten, schreibe Tagebuch und schaue schon mal nach dem Weg morgen. Neben mich setzt sich ein spanisches Paar, sie sind von Murcia und heute in Ponte de Lima gestartet. Wir unterhalten uns noch eine ganze Zeit mit einem lustigen Mix aus Englisch und Spanisch.
Am Nachmittag gehe ich zur nahen Kirche im Ort, doch sie ist leider verschlossen (wie so viele auf dem bisherigen Weg). Ich setze mich davor in den Schatten und lese in meiner Urlaubslektüre - stundenlang. Gegen sieben Uhr bete ich das Abendlob aus dem TeDeum. "Ein Pilger bin ich auf Erden; Herr, deine Weisung will ich beachten" - so die Antiphon. Wie passend und wie schwer zu erkennen manchmal, was seine Weisung ist. Und ja, nicht nur auf diesem Camino bin ich ein Pilger, eigentlich ist das ganze Leben eine einzige Pilgerreise.
Auf dem Weg zurück zur Herberge komme ich an Weinreben vorbei, das heutige Evangelium blitzt noch eimal auf: "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter." Das war schon damals so und ist es immer noch, man braucht einen langen Atem, viel Ausdauer.
Aber für heute habe ich genug nachgedacht, ich gönne mir im Cafe noch einen Käsekuchen, nehme mir ein Croissant für morgen früh mit, packe meinen Rucksack soweit es geht und liege um kurz nach neun im Bett.
Notruf für Krankensalbung:
0152-02697547
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